Unser Obst und Gemüse beinhalte heute nicht mehr so viele Vitamine und Mineralstoffe wie früher. Die Böden seien schlecht und ausgelaugt, der Verzehr der empfohlenen täglichen Portionen an Obst und Gemüse würde nicht mehr ausreichen und die einzige Lösung seien irgendwelche sündhaft teuren Tabletten. So behaupten es zumindest diverse Vitaminpillenhersteller und -verkäufer.

Da ich generell ein kritischer Mensch bin, wollte ich mir mal ansehen, wie viel wissenschaftliche Wahrheit hinter dieser Aussage steckt und ich habe festgestellt: Sehr, sehr wenig.

Ich habe im Folgenden versucht, die Datenlage kompakt zusammenzufassen:

  • Ein wichtiger Punkt, über den viele scheinbar noch nicht nachgedacht haben: Pflanzen benötigen für ihr Wachstum und Gedeihen selbst Vitamine und Mineralstoffe. Ein Mangel oder gar ein Fehlen dieser Substanzen würde den Pflanzenstoffwechsel stark beeinträchtigen bzw. zum Erliegen bringen. Das heißt, die Pflanze selbst könnte nicht oder nur sehr eingeschränkt wachsen und sich vermehren.

  • Die Sorte (Genetik): Ein Apfel der Sorte Golden Delicious hat andere Werte bei Vitaminen und Mineralstoffen als z.B. ein Apfel der Sorte Gala. Ein weiterer Faktor bei der Genetik ist auch, dass einige moderne Sorten eine höhere Konzentrationen an bestimmten Nährstoffen haben als ältere Sorten, während andere Sorten eine geringere Konzentration an jenen Nährstoffen aufweisen. Diese Schwankungen können sehr hoch sein (siehe unten).

  • Der Reifegrad vom Obst und Gemüse bei der Ernte hat auch Einfluss auf den Nährstoffgehalt.

  • Klima: Das Wetter hat Einfluss auf den Nährstoffgehalt von Obst und Gemüse. Das heißt, ein Apfel vom selben Baum kann in einem Jahr nur aufgrund des Wetters einen höheren Mikronährstoffanteil aufweisen als in einem anderen Jahr. Zusätzlich spielt natürlich auch das Klima an unterschiedlichen Standorten eine Rolle.

  • Thema Analytik: Heute werden ausgefeiltere Methoden (Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC)) zur Messung der Nährstoffe verwendet als früher. Alleine deswegen ist ein Nährwertvergleich im Zeitverlauf problematisch.

  • Natürliche Schwankungsbreite: Wenn man sich die prozentuellen Zahlen ansieht, gibt es teilweise enorme Schwankungen von mehreren hundert Prozent. In Absolutzahlen sprechen wir hier aber nur von wenigen mg. Z.B. Kuper hat eine natürliche Schwankungsbreite von 0,11-1,71 mg in 100g Gemüse (Trockengewicht), das sind 1.555%.

  • Moderne Testungen der landwirtschaftlichen Böden und gezielte Zuführung fehlender Nährstoffe sind ein wichtiger Bestandteil zeitgemäßer Landwirtschaft. Also nichts von wegen „ausgelaugte Böden“.

  • Die Dauer der Lagerung von Obst und Gemüse vor dem Verzehr scheint eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen, wobei hier die Auswirkungen auf unterschiedliche Vitamine und Mineralstoffe verschieden sind.

Meine Empfehlungen:

  • Mindestens 500 g, optimalerweise 800 g Obst und Gemüse pro Tag, möglichst durchgemischt und viele verschiedene Farben. Keine Angst vor der Fructose!

  • Auch immer wieder mal auf tiefgefrorenes Gemüse zurückgreifen, wenn es nicht möglich ist, das Gemüse direkt vom Garten in die Küche zu holen.

  • Iss ECHTES Essen, keine Tabletten.

  • Sei kritisch und informiere dich. Glaube nicht alles und traue dich zu hinterfragen.

Noch ein Wort zu den Obst- und Gemüsekapseln:

Frank Taeger rechnet in seinem Buch «Satt, stark, schlank» sehr schön vor, wie unsinnig diese Kapseln sind: Wenn man von den optimalen 800 g Obst und Gemüse am Tag ausgeht und mit einem Wasseranteil von 80% rechnet, wären das laut Herrn Taeger 160 Kapseln am Tag. Diese Menge kann man natürlich unmöglich zu sich nehmen, alleine schon aus finanziellen Gründen. Aber auch schon die empfohlenen 4-6 Kapseln täglich schlagen mit 80-120 € monatlich zu Buche. Um dieses Geld kannst du dir verdammt viel richtiges Obst und Gemüse kaufen.